Es „wirlt“ bei der Kleinheubacher Regatta

Es „wirlt“ bei der Kleinheubacher Regatta

Dass die WSG Kleinheubach die Gesamtwertung der eigenen Kanuregatta gewann, hat wohl niemanden der Teilnehmer und Zuschauer überrascht. Und fast sollte man meinen, dass das „W“ im Vereinsnamen die Abkürzung für „Wirl“ ist. Kaum eines der rund 240 Rennen, das den Nachnamen Wirl nicht in der Teilnehmer- bzw. Siegerliste trug, in fast jeder Altersklasse. 

Und wenn nicht Wirl, dann doch zumindest Reith oder Pfeiffer oder Ziemlich oder … Sicher, die WSG Kleinheubach als ausrichtender Verein hatte mit 71 auch die weitaus meisten Teilnehmer gemeldet. Aber Quantität hat nichts mit Qualität zu tun. Dass die WSG mit 575 Punkten am Ende die Gesamtwertung anführte, war ihr nicht in den Schoß gelegt. Denn die großen erfolgreichen Kanuzentren, Kanu-Team Baden-Württemberg (527) und Rheinbrüder Karlsruhe (450 Punkte), gewannen auch einige Rennen mit Abstand und zeigten immer wieder Dominanz – gelegentlich auch vor der WSG Kleinheubach.

Beim schnellsten Rennen der Regatta, dem Viererkajak der Herren Leistungsklasse über 200 m, musste die WSG in der Besetzung Felix Wirl, Moritz Ziemlich, Thomas Reith und Jan Wirl den Sieg in diesem Jahr an die Renngemeinschaft Süd-West abgeben. Eine Scharte, die im darauffolgenden Rennen der Viererkajak der Damen Leistungsklasse über 200 m in der Besetzung Meike Wirl, Heike Petershöfer, Beatrice Reith und Kerstin Schader mit einem furiosen Start-Ziel-Sieg ganz schnell wieder ausbügelte.

Ein kleines Phänomen sind die beiden Juniorenfahrerinnen Lea und Annika Wirl („Wirl“-SG Kleinheubach), die im Rahmen der Regatta ihre Auszeichnung als Jugendsportlerinnen des Jahres 2023 für Kanurennsport im Bayerischen Kanu-Verband erhielten. Völlig zu Recht, wie sie mit absoluter Überzeugung bewiesen. Sie gewannen miteinander im Zweier- bzw. Viererkajak oder nacheinander im Einer alles, was es für sie zu gewinnen gab. Nicht nur bei den Juniorinnen. Auch in der höheren Leistungsklasse räumten sie alles ab.

Umgekehrt brachte vor allem der Kleinheubacher Thomas Reith (nicht Wirl 😊) alles zum Staunen. Mit 45 Jahren paddelt er eigentlich in der Altersklasse B – natürlich vorneweg. Aber das reicht ihm nicht. Alleine oder im Zweier, z. B. mit Ken Pfeiffer, lehrte er die Leistungsklassefahrer das Fürchten. Noch vor zwei Jahren holte das Boot Reith/Pfeiffer bei den Deutschen Meisterschaften die Bronzemedaille. Beide Rennsportler treten seitdem eigentlich kürzer. Aber Kanu(renn)sport macht eben süchtig … nach dem Sport und nach Medaillen. Als die Pokalspende von Bürgermeister Thomas Münig einem Rennen zugeordnet wurde, konnte noch niemand wissen, dass er das Edelmetall dann „seinen“ Kleinheubacher Sportlern Thomas Reith und Ken Pfeiffer überreichen würde. Dass Münig am Sonntag stundenlang bis zum Schluss den Rennen zusah, sei für ihn keine Pflicht gewesen, sondern pure Freude, beteuerte er. Sein Gesicht war wirklich nur von der Sonne leicht gerötet – das Strahlen in seinen Augen verriet, dass er die volle Wahrheit sagte.

Es gab noch mehr Prominenz in diesem Jahr an der Strecke: 648 Paddler auf dem „kleinen“ Main – da staunte selbst Dajana Pefestorff. Die erst im April neu gewählte Präsidentin des Deutschen Kanu-Verbandes ist aus ihrer Heimat Brandenburg mit der internationalen Regattastrecke das deutsche Non-plus-Ultra gewöhnt. Aber in Kleinheubach fühlte sie sich sofort heimisch und kam auch gleich mit Gott und der Welt ins Gespräch. Als frühere aktive Rennsportlerin hat es ihr die einzigartige Regatta-Atmosphäre besonders angetan: „Die Kommentare des Sprechers, die vielen Bootsanhänger, alles wuselt scheinbar planlos durcheinander – und dennoch ist alles so familiär mit großer Wiedersehensfreude und vielen Freundschaften“, strahlte Pefestorff.

Ja, die Kommentare von Sprecher Ludwig Degmayr … Leicht, locker, luftig, humorvoll und vor allem super kompetent! Man kann – wie Degmayr – Sportjournalismus studieren, aber sein umfangreiches Wissen um die Vereine und die kleinen und großen Schwächen ihrer Sportler kann man sich von keinem Papier her aneignen. Er ist eben im bayerischen Kanurennsport groß geworden.

Die Rennen begannen schon um 8 Uhr morgens, am Samstag endeten sie erst 12 Stunden später: um 20 Uhr. „So lang war ein Regattatag noch nie“, war unisono zu hören. Sportler-/innen in allen Altersklassen waren dabei aktiv. Die jüngste Teilnehmerin, die erst sechsjährige Sophie Grandy von der TG Würzburg-Heidingsfeld, paddelte über beide Ohren strahlend, stolz wie Oskar, hoch zum Start und ließ in ihrem Rennen sogar einige der ein und zwei Jahre Älteren hinter sich. 22 Mädchen und 23 Jungs waren in den Wettkämpfen der Altersklasse bis neun Jahre vertreten. Um den Nachwuchs muss sich da wohl niemand große Sorgen machen!

Das andere Extrem waren die Rennen der Altersklasse D (= 50 Jahre plus …), in der zwar ehemals aktive Rennsportler fahren, nur trainieren sie meistens nicht mehr so oft. Da hätte sich so mancher statt des Kuchenzelts am Ufer lieber ein Sauerstoffzelt gewünscht. Damit konnte die Wasserwacht zwar nicht dienen, aber sie war täglich mehrfach im Einsatz, um nach einer Kenterung Paddler, Boot und Paddel zu bergen und an Land zu bringen.

Zum ersten Mal startete ein Rennen im K2 mixed Leistungsklasse offen: Jeder, der Interesse an einer Teilnahme hatte, konnte sich dafür melden. Dann wurden die Namen gemischt und die Bootsbesatzungen ausgelost – ungeachtet von Alter, Verein oder Geschlecht. Wer Pech hatte, harmonierte nicht mit dem Partner oder der Partnerin. So landeten auch renommierte Sportler-/innen weit abgeschlagen im Feld. Aber man konnte auch Glück haben! Wie Hanno Wortmann vom VfK Saar, der mit Annika Wirl dieses Rennen gewann.

Ergebnissliste 2024

Text + alle Fotos: Uschi Zimmermann

 

In der Damen Leistungsklasse retteten (v. l.) Meike Wirl, Heike Petershöfer, Beatrice Reith und Kerstin Schader mit einem furiosen Start-Ziel-Sieg die Ehre der WSG-Vierer auf der Sprint-Distanz.
Das Siegerboot Thomas Reith/Ken Pfeiffer lehrte die Konkurrenz das Fürchten.

 

Der Wirl-Viererturbo ist gezündet: v. l. Annika, Lea, Maike und Silke. Andere Boote haben da keine Chance …
Annika Wirl und Hanno Wortmann (VfK Saar) setzten sich im Rennen im K2 mixed LK offen durch.
Die erst sechsjährige Sophie Grandy von der TG Würzburg-Heidingsfeld (Startnummer 6) ließ als jüngste Teilnehmerin in ihrem Rennen sogar einige der ein und zwei Jahre Älteren hinter sich.